Müll-Models!
VON MICHAEL KRÜGER
Erstickt, verhungert oder vergiftet: tote Fische in Geisternetzen, ein Seepferdchen, das sich an Wegwerfmüll klammert, Delfine mit Plastiktüten im Maul. Fotos, die schockieren, aber deren Symbolkraft wichtig ist, um den Wahnsinn zu stoppen.
Naturfotograf Justin Hofman war vor der Insel Sumbawa in Indonesien auf Fotopirsch, als er ein winziges Seepferdchen entdeckte. Als er das Motiv genauer durch den Kamerasucher betrachtete, bemerkt er, dass sich das Tier nicht an Seegras, sondern an einem Wattestäbchen festklammert. Plötzlich wurde aus dem süßen Seenadelbild ein abschreckendes „Big Picture“ mit Symbolkraft. „Ein Foto, von dem ich wünschte, es würde gar nicht existieren. Aber da es nun mal da ist, möchte ich, dass jeder es sieht“, sagt Hofmann dazu. Dieser Moment schaffte es unter die Finalisten des Fotopreises „Wildlife Photographer of the Year“ und verbreitete sich über seinen Instagram-Account auf der ganzen Welt.
Im Ozan gibt es kaum einen Fisch oder Meeressäuger ohne Plastik im Bauch: Im März 2019 wurde ein Cuvier-Schnabelwal-Kadaver mit 40 Kilogramm Plastikmüll im Magen an der philippinischen Küste entdeckt! Wenige Monate davor fand man in einem toten Pottwal 115 Becher, 25 Tüten und mehr als 1000 weitere Plastikteile im Magen. Britische Forscher haben insgesamt 50 Delfine, Robben und Wale untersucht, die an der englischen Küste angespült wurden, und fanden in jedem der Tiere Plastikteile.
Geisternetze machen nach Urteil von Meersschutzorganisationen zwischen 30 und 50 Prozent des Meeresplastikmülls aus. Da Tiere sich in diesen herrenlose Fischernetzen verfangen oder diese irrtümlich als Nahrung aufnehmen und häufig darin verenden, stellen sie für viele Arten eine Bedrohung dar. Neben Fischen werden die Relikte auch für Robben, Wale, Meeresschildkröten und Tauchvögel zur Falle.
Mikroplastik belastet die Unterwasserwelt. Gerade diese Kleinstteile sind problematisch. Fische halten die Partikel für Nahrung und fressen sie. Sogar in vielen Organismen wie Muscheln, Würmern und Schnecken konnten diese Kunststoffe nachgewiesen werden. Als wäre das nicht genug, werden im Mikroplastik auch zusätzlich im Wasser befindliche Schadstoffe aufgenommen.
Mindestens acht Millionen Tonnen Plastik landen jedes Jahr in den Ozeanen, haben Forscher der britischen Ellen MacArthur Foundation berechnet. Das ist so, als würde jede Minute ein mit Plastik vollgeladener Müllwagen seinen Inhalt ins Meer kippen. 2030 sollen es sogar zwei Müllwagen pro Minute sein. Gemessen am Gewicht werden irgendwann mehr Kunststoffteile als Fische im Wasser schwimmen. 150 Millionen Tonnen Plastikmüll sollen sich heute im Meer befinden.
Die EU beschließt ein Plastikverbot. Die Verbotsliste klingt banal, doch nach offiziellen EU-Angaben ginge es um Abfall, der rund 70 Prozent des in den Meeren schwimmenden Kunststoffs ausmachten: Strohhalme, Geschirr und Einweg-Produkte. Die EU-Mitgliedstaaten wollen die Richtlinie bis 2021 in nationale Gesetze fassen. Schneller geht es in Hurghada: In der ägyptischen Provinz wird Einwegplastik ab Juni 2019 verboten!
Wenn sich der Plastikmüll in den nächsten zehn Jahren verdoppeln soll, ist nicht nachzuvollziehen, warum die EU sich zwei Jahre Zeit lässt. Gut, dass Wegwerfkunststoff abgeschafft werden soll, aber was ist mit den Geisternetzen? Warum kann man nicht per Order verfügen, dass weltweit nur abbaubarer Kunststoff hergestellt werden darf? Das wäre, nach dem Urteil vieler Chemiker, kein Problem. Alte Fischernetze, die sich mit der Zeit selbst auflösen, würden nicht mehr zu Todesfallen werden. Und der Plastikkontinent in Größe des Staates Texas, der vor Hawaii schwimmt, und unter dem Schildkröten und Wale und andere Säugetiere qualvoll ersticken, würde sich ebenfalls von selbst erledigen. Es gibt viel zu tun: Save the Ocean. Lesen Sie dazu unser Sonderheft!
„Die Müll-Models stehen symbolisch für die Auswirkungen der Plastikabfälle ins unseren Weltmeeren“, sagt TAUCHEN-Redakteur Michael Krüger.
Ein Bild, das um die Welt ging: Seepferdchen mit Plastikmüll.
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