Faszination Haifütterungen
Nirgendwo kann man Haie so spektakulär und hautnah erleben wie beim Anködern. Die Praxis polarisiert: Sollte man potenziell gefährliche Tiere wie Haie anfüttern? Wir haben Profis befragt und Shark Feeder begleitet. Haie sind faszinierend. Bei vielen Tauchern steht die Begegnung mit den grauen Jägern ganz oben auf ihrer To-do-Liste. Für natürliche Begegnungen braucht man Glück – beim Shark Feeding sieht man sie sicher. Hier werden Haie durch Chumming (Anködern) angelockt. Das Thema polarisiert. TAUCHEN-Redakteur Michael Krüger hat deshalb Fachleute befragt und einen Shark-Feeder-Kurs auf den Bahamas bei Stuart Cove absoviert.
„Du musst relaxt bleiben und immer die Haie im Auge behalten“, sagt Ignacio Lezama während er den meterlangen Metallspieß wie ein Florett durch die Luft führt. Der Argentinier, den alle nur Nacho nennen, korrigiert seine Schüler wie ein Regisseur bei einer Theaterprobe. Immer wieder zeigt er die wichtigsten Skills, die ein Shark Feeder drauf haben sollte. Das Training am Steg der Tauchbasis von Stuart Cove in Nassau/Bahamas mit den „Luft-Haien“ ist die Vorbereitung für die Teilnehmer des „Shark Awareness“-Specialtys. Die verflochtenen kleinen Metallringe der Kettenanzüge rasseln bei jeder Bewegung der Feeder, die wie ein Hybrid aus Kreuzritter, Gladiator und Fechter aussehen. „Die Anzüge dienen der Sicherheit der Feeder“, erläutert Nacho den Grund für die Schutzkleidung. „Die Haie sind nicht aggressiv. Aber wenn man nicht aufpasst, kann man versehentlich gebissen werden.“ Auf die Frage, ob ein Fehlbiss wehtut, umfasst er den Arm eines Schülers und drückt kräfig zu. „Man merkt einen Druck, aber es gibt nur einen blauen Fleck.“
SHOWTIME AM WRACK
Die Fahrt zum ersten Sharkfeed-Spot dauert keine Viertelstunde. Die Köderer tragen einen „Neptunic“-Sharksuit, Kettenhandschuhe und Helm. Der für Haie verlockende und auf Menschen abstoßend wirkende Geruch verdorbener Makrelen strömt aus der Futterbox, als Nacho die Kiste öffnet. „Wir verfüttern nur Abfälle aus den Restaurants. Die kleinen Fische, Köpfe und Karkassen machen keinen Hai satt“, so der Argentinier. Eine Studie der Simon Fraser University aus Britisch-Kolumbien bestätigt, dass der Nährwert der von den Haien verzehrten Fische bei den Feeds in Nassau nicht ausreicht, um eine echte Nahrungsquelle darzustellen.
PLÖTZLICH SHARKFEEDER
Wir tauchen wie besprochen zum Spot. Nacho wird beim Abtauchen von zahlreichen Haien und Zackenbarschen umschwärmt, bis er auf der Stahlkiste stehend, wie ein Raketenmann auf dem Deck des Feedwracks landet. Um uns herum kreisen mittlerweile an die 30 Karibische Riffhaie – einige Tiere sind fast drei Meter lang. Nun ist er der Chefkoch am Fischbuffet, um den Haien die aufgespießten Delikatessen zu reichen. Nacho zeigt plötzlich das „Tigerhai“-Zeichen. Wir sprachen während der Theorieausbildung noch über die unterschiedlichen UW-Zeichen der Haiarten. Er erwähnte, dass sich immer wieder Tiger-, Hammer- oder Bullenhaie blicken lassen. Und kaum gesagt, schwimmt ein junger, knapp drei Meter langer Tigerhai an uns vorbei. Alles okay? Nacho gibt das Zeichen und angelt eine Makrele aus der Box und spießt den Fisch auf den Stab.
Das Spektakel beginnt: Nacho führt den Spieß wie einen Degen durch die Fluten. Zwei größere Haie zeigen Interesse, aber ein kleiner Nassauzackenbarsch schnappt den Köder und verschwindet blitzschnell in seinem Versteck im Wrack. Wenn ein Hai den Köder anvisiert, wackelt er schnell mit dem Kopf hin und her und schwimmt direkt auf die Beute zu. Kurz vor dem Biss schließen sie die Nickhäute, die die Augen der Haie schützen. Faszinierend zu sehen ist es, wie sie das riesige Revolvergebiss mit den scharfen, spitzen Zähnen nach vorn schieben. Wenn die silbergrauen Jäger ihren Kiefer für den Biss vorstülpen, verwandelt sich ihr Antlitz für eine Sekunde in eine Fratze.
Die Baitbox hat einen Klappmechanismus, damit die Haie sich nicht selbst bedienen. Neben der Feeder-Kiste wird in einiger Entfernung ein zweiter, rund ein Meter langer Metallzylinder mit ausgesägten Löchern für die Ammenhaie und Zackenbarsche abgelegt. „Die wühlen ständig den Grund auf und stören beim Shark Feeding“, sagt Nacho.
Es ist atemberaubend nach dem Theorieunterricht für das „Shark Awareness“-Specialty (Info: www.stuartcove.com) bei der wir über die Anatomie und Verhaltensweisen gesprochen haben, die Haie direkt vor der Maske zu sehen. Deutlich erkennt man die Lorenzinischen Ampullen, die fünf Kiemenschlitze, über die das Wasser austritt, sowie die hellwachen Augen, mit denen uns die Jäger aufmerksam mustern – Details wie die dunklen, fast sanft wirkenden Sehorgane der Tigerhaie im Vergleich zu den eher starren, kleinen und „tot“ wirkenden Augen der Ammenhaie bis zu den listigen Katzenaugen der Riffhaie.
PRO + CONTRA
Shark Feeding ist auf den Bahamas völlig normal. Hier läuft das seit mehr als 40 Jahren bis auf kleine Blessuren angeblich unfallfrei ab. Ist Anködern letztlich Tierschutz, der funktioniert, weil die Gesetze der Marktwirtschaft greifen? „Die Haie sind Botschafter. Medien berichten, Gäste posten Fotos und Filme“, sagt der ehemalige Shark Feeder Jaime Rolle auf Grand Bahama. Stuart Cove aus Nassau sieht das ähnlich: „Auch Fischer werden Teil des Geschäfts. Aus Jägern werden Ranger und die ganze Welt sieht, dass Haie keine blutrünstigen Bestien sind. Eine bessere PR gibt es nicht!“, so der Chef der größten Tauchbasis der Karibik. „Ökologiebewusstsein und Einsicht haben noch kein Tier geschützt. So sind in Südafrika die Weißen Haie nur deshalb streng geschützt, weil Käfigtauchen ein 30-Millionen-Dollar-Business ist“, sagt Gerhard Wegner, Gründer von Sharkproject.
Es geht wie immer ums Geld: Mehr als 110 Millionen US-Dollar verdienen die Bahamas jährlich mit dem Hai-Tourismus (Quelle: www.livingdreams.tv), sie sind damit weltweit die Nummer eins. Die Pew Environment Group berichtete auf BBC-Online, dass jeder Karibische Riffhai 250 000 US-Dollar in die Wirtschaft des Archipels bringe. Die Regierung hat den Wert der Haie als Touristenattraktion erkannt und bemüht sich sehr, ihre „Goldesel“ zu schützen und zu vermarkten. Und damit das auch so bleibt, sind sie streng geschützt.
„Der Fang von Haien ist auf den Bahamas gesetzlich verboten“, erläutert Antoinette D. Stuart vom Tourist Board Bimini, „Marine-Einheiten patrouillieren und sorgen dafür, dass die Gesetze auch befolgt werden.“
„Die große Anzahl der Haie sind ein Indikator für die Stabilität des maritimen Ökosystems“, sagt Dr. Samuel H. Gruber vom Sharklab auf Bimini. Rund 40 Arten leben in den Gewässern. Die Umweltschutzorganisation Bahamas National Trust hat eine ambivalente Meinung; einerseits lehnt sie Haifütterungen als nicht artgerechtes Verhalten ab, andererseits hofft sie, dass das Erlebnis den Menschen die bedrohte Spezies näher bringt und „die Faszination Hai erlebbar“ wird, so Eric Carey, Geschäftsführer der Organisation. Nur was man schätze, das schütze man auch. Meeresbiologin Agnessa Lundy kümmert sich beim National Trust um die 33 Nationalparks der Bahamas. „Alles, was die Haie am Leben hält, ist gut!“, sagt sie.
Einige Taucher lehnen dieses Szenario prinzipiell ab und verweisen auf die Veränderung des natürlichen Verhaltens. Haie teilten normalerweise kein Territorium, weil sie SpitzenPredatoren sind und in geringerer Anzahl vorkämen als andere Tiere im Ökosystem.
Nirgendwo kann man Haie so spektakulär und hautnah erleben wie beim Anködern. Die Praxis polarisiert: Sollte man potenziell gefährliche Tiere wie Haie anfüttern? Wir haben Profis befragt und Shark Feeder begleitet. Haie sind faszinierend. Bei vielen Tauchern steht die Begegnung mit den grauen Jägern ganz oben auf ihrer To-do-Liste. Für natürliche Begegnungen braucht man Glück – beim Shark Feeding sieht man sie sicher. Hier werden Haie durch Chumming (Anködern) angelockt. Das Thema polarisiert. TAUCHEN-Redakteur Michael Krüger hat deshalb Fachleute befragt und einen Shark-Feeder-Kurs auf den Bahamas bei Stuart Cove absoviert.
„Du musst relaxt bleiben und immer die Haie im Auge behalten“, sagt Ignacio Lezama während er den meterlangen Metallspieß wie ein Florett durch die Luft führt. Der Argentinier, den alle nur Nacho nennen, korrigiert seine Schüler wie ein Regisseur bei einer Theaterprobe. Immer wieder zeigt er die wichtigsten Skills, die ein Shark Feeder drauf haben sollte. Das Training am Steg der Tauchbasis von Stuart Cove in Nassau/Bahamas mit den „Luft-Haien“ ist die Vorbereitung für die Teilnehmer des „Shark Awareness“-Specialtys. Die verflochtenen kleinen Metallringe der Kettenanzüge rasseln bei jeder Bewegung der Feeder, die wie ein Hybrid aus Kreuzritter, Gladiator und Fechter aussehen. „Die Anzüge dienen der Sicherheit der Feeder“, erläutert Nacho den Grund für die Schutzkleidung. „Die Haie sind nicht aggressiv. Aber wenn man nicht aufpasst, kann man versehentlich gebissen werden.“ Auf die Frage, ob ein Fehlbiss wehtut, umfasst er den Arm eines Schülers und drückt kräfig zu. „Man merkt einen Druck, aber es gibt nur einen blauen Fleck.“
SHOWTIME AM WRACK
Die Fahrt zum ersten Sharkfeed-Spot dauert keine Viertelstunde. Die Köderer tragen einen „Neptunic“-Sharksuit, Kettenhandschuhe und Helm. Der für Haie verlockende und auf Menschen abstoßend wirkende Geruch verdorbener Makrelen strömt aus der Futterbox, als Nacho die Kiste öffnet. „Wir verfüttern nur Abfälle aus den Restaurants. Die kleinen Fische, Köpfe und Karkassen machen keinen Hai satt“, so der Argentinier. Eine Studie der Simon Fraser University aus Britisch-Kolumbien bestätigt, dass der Nährwert der von den Haien verzehrten Fische bei den Feeds in Nassau nicht ausreicht, um eine echte Nahrungsquelle darzustellen.
PLÖTZLICH SHARKFEEDER
Wir tauchen wie besprochen zum Spot. Nacho wird beim Abtauchen von zahlreichen Haien und Zackenbarschen umschwärmt, bis er auf der Stahlkiste stehend, wie ein Raketenmann auf dem Deck des Feedwracks landet. Um uns herum kreisen mittlerweile an die 30 Karibische Riffhaie – einige Tiere sind fast drei Meter lang. Nun ist er der Chefkoch am Fischbuffet, um den Haien die aufgespießten Delikatessen zu reichen. Nacho zeigt plötzlich das „Tigerhai“-Zeichen. Wir sprachen während der Theorieausbildung noch über die unterschiedlichen UW-Zeichen der Haiarten. Er erwähnte, dass sich immer wieder Tiger-, Hammer- oder Bullenhaie blicken lassen. Und kaum gesagt, schwimmt ein junger, knapp drei Meter langer Tigerhai an uns vorbei. Alles okay? Nacho gibt das Zeichen und angelt eine Makrele aus der Box und spießt den Fisch auf den Stab.
Das Spektakel beginnt: Nacho führt den Spieß wie einen Degen durch die Fluten. Zwei größere Haie zeigen Interesse, aber ein kleiner Nassauzackenbarsch schnappt den Köder und verschwindet blitzschnell in seinem Versteck im Wrack. Wenn ein Hai den Köder anvisiert, wackelt er schnell mit dem Kopf hin und her und schwimmt direkt auf die Beute zu. Kurz vor dem Biss schließen sie die Nickhäute, die die Augen der Haie schützen. Faszinierend zu sehen ist es, wie sie das riesige Revolvergebiss mit den scharfen, spitzen Zähnen nach vorn schieben. Wenn die silbergrauen Jäger ihren Kiefer für den Biss vorstülpen, verwandelt sich ihr Antlitz für eine Sekunde in eine Fratze.
Die Baitbox hat einen Klappmechanismus, damit die Haie sich nicht selbst bedienen. Neben der Feeder-Kiste wird in einiger Entfernung ein zweiter, rund ein Meter langer Metallzylinder mit ausgesägten Löchern für die Ammenhaie und Zackenbarsche abgelegt. „Die wühlen ständig den Grund auf und stören beim Shark Feeding“, sagt Nacho.
Es ist atemberaubend nach dem Theorieunterricht für das „Shark Awareness“-Specialty (Info: www.stuartcove.com) bei der wir über die Anatomie und Verhaltensweisen gesprochen haben, die Haie direkt vor der Maske zu sehen. Deutlich erkennt man die Lorenzinischen Ampullen, die fünf Kiemenschlitze, über die das Wasser austritt, sowie die hellwachen Augen, mit denen uns die Jäger aufmerksam mustern – Details wie die dunklen, fast sanft wirkenden Sehorgane der Tigerhaie im Vergleich zu den eher starren, kleinen und „tot“ wirkenden Augen der Ammenhaie bis zu den listigen Katzenaugen der Riffhaie.
PRO + CONTRA
Shark Feeding ist auf den Bahamas völlig normal. Hier läuft das seit mehr als 40 Jahren bis auf kleine Blessuren angeblich unfallfrei ab. Ist Anködern letztlich Tierschutz, der funktioniert, weil die Gesetze der Marktwirtschaft greifen? „Die Haie sind Botschafter. Medien berichten, Gäste posten Fotos und Filme“, sagt der ehemalige Shark Feeder Jaime Rolle auf Grand Bahama. Stuart Cove aus Nassau sieht das ähnlich: „Auch Fischer werden Teil des Geschäfts. Aus Jägern werden Ranger und die ganze Welt sieht, dass Haie keine blutrünstigen Bestien sind. Eine bessere PR gibt es nicht!“, so der Chef der größten Tauchbasis der Karibik. „Ökologiebewusstsein und Einsicht haben noch kein Tier geschützt. So sind in Südafrika die Weißen Haie nur deshalb streng geschützt, weil Käfigtauchen ein 30-Millionen-Dollar-Business ist“, sagt Gerhard Wegner, Gründer von Sharkproject.
Es geht wie immer ums Geld: Mehr als 110 Millionen US-Dollar verdienen die Bahamas jährlich mit dem Hai-Tourismus (Quelle: www.livingdreams.tv), sie sind damit weltweit die Nummer eins. Die Pew Environment Group berichtete auf BBC-Online, dass jeder Karibische Riffhai 250 000 US-Dollar in die Wirtschaft des Archipels bringe. Die Regierung hat den Wert der Haie als Touristenattraktion erkannt und bemüht sich sehr, ihre „Goldesel“ zu schützen und zu vermarkten. Und damit das auch so bleibt, sind sie streng geschützt.
„Der Fang von Haien ist auf den Bahamas gesetzlich verboten“, erläutert Antoinette D. Stuart vom Tourist Board Bimini, „Marine-Einheiten patrouillieren und sorgen dafür, dass die Gesetze auch befolgt werden.“
„Die große Anzahl der Haie sind ein Indikator für die Stabilität des maritimen Ökosystems“, sagt Dr. Samuel H. Gruber vom Sharklab auf Bimini. Rund 40 Arten leben in den Gewässern. Die Umweltschutzorganisation Bahamas National Trust hat eine ambivalente Meinung; einerseits lehnt sie Haifütterungen als nicht artgerechtes Verhalten ab, andererseits hofft sie, dass das Erlebnis den Menschen die bedrohte Spezies näher bringt und „die Faszination Hai erlebbar“ wird, so Eric Carey, Geschäftsführer der Organisation. Nur was man schätze, das schütze man auch. Meeresbiologin Agnessa Lundy kümmert sich beim National Trust um die 33 Nationalparks der Bahamas. „Alles, was die Haie am Leben hält, ist gut!“, sagt sie.
Einige Taucher lehnen dieses Szenario prinzipiell ab und verweisen auf die Veränderung des natürlichen Verhaltens. Haie teilten normalerweise kein Territorium, weil sie SpitzenPredatoren sind und in geringerer Anzahl vorkämen als andere Tiere im Ökosystem.
KONDITIONIERTE HAIE?
Ob Haie durch das Ködern konditioniert werden und Menschen mit Futter assoziieren wird zwar vermutet aber relevante wissenschaftliche Studien liegen bisher nicht vor. Es wurden Haie beobachtet, die bereits beim Motorengeräusch der Zodiacs zum Feederspot schwimmen – so wie ein konditionierter Hund beim pawlowschen Szenario auf das Läuten einer Glocke mit Speichelfluss reagiert. Natürlich kann es je nach Art der Feeds zu Futterneid kommen: Je mehr Haie um die Köder buhlen, umso mehr steigt die Gefahr brenzliger Situationen. Der Konkurrenzdruck, verbunden mit der veränderten Hierarchie durch den Feeder, kann Probeme verursachen.
HAIUNFÄLLE WELTWEIT
2018 gab es nach Auskunft des International Shark Attack File (www.floridamuseum.ufl.edu/shark-attacks) weltweit insgesamt 66 Haiangriffe auf Menschen. Davon waren vier tödlich. George Burgess vom Florida Museum betont, dass Menschen nicht auf der Speisekarte von Haien stehen. Ansonsten gäbe es vermutlich Millionen Unfälle im Jahr.
Bei der Mehrzahl der Vorfälle handelt es sich um provozierte Angriffe durch Sportfischer und Harpunenjäger. Unter den nicht provozierten Angriffen verwechseln die Fische Menschen mit ihrer normalen Beute, was häufig auf schlechte Sicht zurückzuführen ist. Mehr als 80 Prozent der Opfer waren Surfer und Schwimmer. Burgess sagt, dass Vorfälle an der Küste häufig von Tiger- oder Bullenhaien verursacht werden. Eine von Dr. Neil Hammerschlag an der Universität von Miami durchgeführte Studie ergab allerdings, dass das Ködern von Tigerhaien deren Verhalten nicht negativ beeinflusst.
Während sich Experten über die Auswirkung von Fütterungen auf das Verhalten und die Migrationsmuster nicht einig sind, bleibt die Frage, ob das Ködern für die Erhaltung der Haie gut ist. Trotz aller Kritik ist professionelles Shark Feeding für Wissenschaftler wichtig und Haischutz, der funktioniert. Einig sind sich alle, dass diese Spezies stark bedroht ist: Jedes Jahr werden 100 000 Haie wegen ihrer Flossen und als Beifang getötet. Ein Skandal!
Michael Krüger
Checkliste Tauchgang mit Haien
1. Vorab
◼ Die Tauchgangsvorbereitung sollte durch eine orts- und haikundige Person durchgeführt werden. Der Tauchgang muss durch geschultes Personal, das zahlenmäßig der Gruppe angepasst ist, begleitet werden. Nationale, lokale Richtlinien und Gesetze müssen vom Veranstalter eingehalten werden.
2. Ausrüstung
◼ Verzichten Sie auf kontrastreiche Kleidung und weiße Flossen. Einige Tauchbasen auf den Bahamas geben komplett schwarze Atemregler und schwarze Handschuhe aus.
3. Tauchgang
◼ Bilden Sie eine homogene und kompakte Gruppe und folgen Sie den Anweisungen des Guides. Achten Sie darauf, nicht in den Strömungsbereich des Köders zu geraten.
4. Verhalten
◼ Halten Sie die Arme eng am Körper. Nicht mit der Action-Cam vor dem Hai herumfuchteln (sieht aus wie der Feeder-Spieß). Vermeiden Sie zappelnde Arm- und Beinbewegungen!
5. Interaktion
◼ Wenn ein Hai beim Tauchgang Körperkontakt sucht, nicht wegschwimmen, sondern eine vertikale Position einnehmen. Umkreist Sie ein neugieriger Hai, verfolgen Sie ihn mit den Augen und drehen Sie sich mit ihm. Nähern Sie sich einem Hai möglichst von der Seite und tauchen Sie nicht direkt über ihm auf!
6. Abbruch/Ausstieg
◼ Bei auffälligem Verhalten einzelner Haie, sehr schlechter Sicht, Angst oder Unwohlsein sollten Sie den Tauchgang abbrechen. Häufig warten Sicherungstaucher unter der Leiter und passen auf, dass die Taucher sicher zurück an Bord kommen.
Shark Feeding: Pro & Contra
Interview
TAUCHEN: Wie steht Sharkproject zum Thema Haifütterungen?
Alex Smolinsky, Sharkproject: Mal so, mal so! Der Grund liegt darin, dass es keine einheitliche Definition für Haifütterungen gibt, sondern viele Varianten, die für verschiedene Haiarten in unterschiedlichem Umfeld durchgeführt werden. Klar ist, dass regelmäßige Fütterungen die Tiere konditionieren. Sie gewöhnen sich an Menschen, verlieren ihre Scheu und kommen näher. Dabei kommt es auch immer wieder zu Vorfällen, auch wenn diese von den Tauchbasen meist verharmlost oder sogar verheimlicht werden: Da werden Taucher gerammt, angestoßen und in Einzelfällen gebissen. Alles Ereignisse, die vom ISAF, dem International Shark Attack File, als Haiattacken gewertet werden. Das ISAF unterscheidet zwischen unprovozierten und provozierten Attacken. Was sind dann Unfälle bei Haifütterungen?
Ist der Mensch selbst schuld, weil er füttert?
Ich denke ja. Der Mensch ist weitgehend verantwortlich für Unfälle. Futter im Wasser verändert das Verhalten der Haie. Hierbei wirkt offenes Futter noch mehr als nur der Geruch beim Ködern. Im Sharkproject-Buch „Blind Dates – Begegnungen mit Haien“ haben wir Futter im Wasser als einen der wichtigsten Unfallfaktoren belegt. Kommen weitere Faktoren hinzu, wie Konditionierung, Konkurrenz, Irritation der Sinne, Persönlichkeit der Tiere und fehlender Respekt der Taucher, klingt das wie die Beschreibung mancher Haifütterungs-Tauchgänge, ist aber aller Erfahrung nach die Ursachenmenge für Haiunfälle. Haie sind Raubtiere, und Fütterungen sind deshalb immer Risikotauchgänge. Das muss allen Teilnehmern bewusst sein.
Warum machen die Taucher es trotzdem?
Zunächst müssen wir festhalten, dass Haifütterungen oder auch Köderaktionen zu den wenigen Möglichkeiten gehören, Haie live aus der Nähe zu erleben. Auch wollen viele Filmer, Fotografen und Journalisten die Tiere erleben, Top-Fotos schießen oder eine gute Story schreiben. Wenn man nicht gerade in Geld badet, um die Hammerhaischulen bei Cocos Island oder die Bullenhaie vor Cabo Pulmo zu erleben, bleiben nur der Zufall – oder eben das Anködern.
Was beurteilen Sie positiv an Shark Feeding?
Nur durch Feeds ist es vielen Tauchern möglich, Haie hautnah zu erleben, was Begeisterung und Faszination auslösen kann. Es wird deutlich schwerer, das Märchen vom Killerhai zu erzählen. Und trotz aller Risikofaktoren passiert ja tatsächlich insgesamt wirklich wenig beim Shark Feeding. Haifütterungen sind damit deutlich ungefährlicher als das Löwenfüttern oder Leopardenstreicheln. Hauptgrund dafür: Wir Menschen gehören immer noch nicht in das Beuteraster der Haie. Aber wir sind im Beuteschema wilder Großkatzen.
Ihr Fazit?
Sharkproject kann keine Garantie geben, dass es zu keinem Unfall kommt. Insofern sehen wir sowohl das Ködern als auch das Füttern von Haien kritisch. Sharkproject empfiehlt, solche Tauchgänge nicht zu machen. Völlig ausgeschlossen sind Haifütterungen mit offenem Futter, da hierbei das Risiko für die Taucher signifikant ansteigt und unbeherrschbar ist. Beim Ködern von Haien ohne unkontrollierbares Futter im Wasser ist das Unfallrisiko deutlich geringer. Aber auch hier ist Aufmerksamkeit, Tauchausbildung und Top-Briefings bei einem seriösen Anbieter Grundvoraussetzung. Da uns die Aufklärung zentral wichtig ist, nehmen wir verantwortungsvolles Ködern von Haien in Kauf, um möglichst viele Taucher zu überzeugen, sich für Haie einzusetzen.
www.sharkproject.org
Sechs Verhaltensregeln von Sharkschool,
wenn Haie aufdringlich werden
1. FACE
Stoppen Sie die aktive (Vorwärts-)Bewegung und drehen Sie sich in vertikaler Position und mit ruhigen, hängenden Füssen zum Hai hin. Halten Sie Blickkontakt. Nutzen Sie allein die Arme, um sich zum Hai hin auszurichten. Sind mehrere Haie da, richten Sie sich zu dem Tier, das Ihnen am nächsten ist.
2. GUIDE
Sollte Ihnen der Hai so nahe kommen, dass Sie ihn mit ausgestrecktem Arm (ohne dass Sie sich vornüber beugen müssen) erreichen, berühren Sie das Tier sanft an der Schnauze und lenken Sie es vorbei. Sie können den Hai auch am Kopf berühren oder an seiner Kopfseite (mit gutem Abstand zu seinen Augen!). Achten Sie auf ruhige, langsame Bewegungen!
3. PUSH
Kommt ein Hai direkt von vorne und ist auf „Kollisionskurs”, drücken Sie ihn an sich vorbei.
4. MOVE
Sollte der Hai weiterhin an Ihnen interessiert sein und wollen Sie die Begegnung beenden, dann schwimmen Sie frontal auf ihn zu!
5. GILLS
Nützt alles nichts und bleibt der Hai auf Körperkontakt, berühren Sie seine Kiemen, oder drücken Sie Wasser dagegen. Wann Haie einander angreifen, bevorzugen sie die Kiemenregion. Der Hai weiß zwar immer noch nicht, was ein Mensch ist, wenn man aber die Kiemen berührt, versteht er das Signal.
6. FACE – GUIDE – PUSH – MOVE – (GILLS)
Ziehen Sie sich kontrolliert zurück und verlassen Sie das Wasser. Prägen Sie sich die einzelnen Schritte und deren Chronologie gut ein. Nutzen Sie dieses Wissen auch in dem Fall, dass Sie zum Beispiel ein Unfallopfer bergen müssen: Bitte beachten Sie: Diese Empfehlungen basieren auf jahrelangen wissenschaftlichen Untersuchungen und Feldversuchen. Sie sind die Basis unserer Interaktionsarbeit mit Haien und auf alle Haiarten übertragbar. Das Thema ist erheblich komplexer, und viele Faktoren beeinflussen die Reaktion der Tiere. Eine Garantie zur Unfallprävention können wir Ihnen nicht aussprechen.
Dr. Erich Ritter, Sharkschool
SHARKSCHOOL
Interaktionskonzept mit Haien: Adore Sane
Adore
◼ A Attitude/Verhalten Ist etwas ungewöhnlich?
Wie verhält sich der Hai?
◼ D Direction/Richtung Welches Schwimmmuster hat der Hai?
◼ O Origin/Anfang Wo sehe ich den Hai zum ersten Mal?
◼ R Reference/Referenz Wo schwimmt das Tier?
◼ E Environment/Umgebung Welche Umweltfaktoren beein-
flussen die Begegnung?
Sane
◼ S Scenario/Szenario Was passiert um mich herum während der Begegnung?
◼ A Action/Action Was für eine Aktivität brauche ich bei der Interaktion?
◼ N Nervousness/Nervosität Wie entspannt oder nervös bin ich während der Begegnung?
◼ E Experience/Erfahrung Welche Erfahrung habe ich mit Haien und dieser Aktivität?
SharkSchool
ELEUTHERA
Dr. Erich Ritter ist einer der führenden Forscher, der sich mit Themen der Hai-Mensch-Interaktion befasst: „Es gibt keine gefährlichen Haie. Es gibt nur gefährliche Situationen.“ Der Meeresbiologe und Haischützer ist Leiter der Sharkschool auf Eleuthera/Bahamas und bietet Haitauchgänge mit wissenschaftlichem Background an. www.sharkschool.com
www.wirodive.de
Info: Shark Feeding
Sharkfeed: Alle Taucher sitzen im Halbkreis. Der Shark Feeder füttert aus der Hand oder mit dem Spieß. Erich Ritter: „Die Methode ist ungeeignet, da die Haie in schematische Abläufe gezwungen werden und die Taucher nicht interagieren können.“
Chumsicle: Ein Klumpen Fischabfall wird an einem Seil oder Eisengerüst gefroren platziert und löst sich im Wasser von selbst auf. Erich Ritter: „Die beste Methode, um Haie zu beobachten. Die Haie kommunizieren und können eine Hierarchie kreieren.“
Baitbox: Eine Köderbox wird deponiert und die Taucher können mit den Haien schwimmen. Die Gäste werden mit Abstand platziert und ein Guide öffnet die Box. Erich Ritter: „Besser als Shark Feeding, da die Taucher mit den Haien schwimmen können.“
Baitbox/Wrack: Eine Köderbox wird im Wrack platziert. Nur um die Fische neugierig zu machen. Eine Fütterung findet nicht statt. Erich Ritter: „Da unter den Haien Druck oder Frustration entstehen kann, nicht ganz unproblematisch!“
Open water feeding: Die Nahrung wird im offenen Wasser verteilt. Erich Ritter: „Diese Methode ist für kommerzielle Zwecke unbrauchbar. Dabei können die Haie frei zwischen den Tauchern nach Nahrung suchen. Das verlangt Erfahrung!“
Cage Dive Feeding: Käfigtauchen wird üblicherweise mit Großen Weißen, Tiger- oder Bullenhaien praktiziert. Erich Ritter: „Für Nichttaucher die einzige Möglichkeit, Haie zu sehen. Sicher, aber wenig hilfreich, um Ängste gegenüber Haien abzubauen.“
Haie hautnah: Viele Taucher stehen dem an vielen Orten auf der Welt verbreiteten Zirkus kritisch gegenüber. Atemberaubende Aufnahmen sind aber garantiert.
Der „Neptunic“-Sharksuit schützt auch bei Bissen, wenn der Hai versehentlich das Ziel verfehlt.
TAUCHEN-Redakteur Michael Krüger (links) und Nacho am Steg der Stuart-Cove-Tauchbasis in Nassau auf den Bahamas.
Haisuppe: Die UW-Arena ist ein beliebter Spot für das Shark Feeding bei Stuart Cove in Nassau/Bahamas.
Der Shark Feeder wird von Haien umschwärmt, während die Taucher am Grund hocken.
INFOS BAHAMAS
Fantastische Strände und viele Haie. Von den rund 700 Inseln sind nur 29 bewohnt. 250 000 der 350 000 Bewohner der Bahamas leben in Nassau. Weil bis zu sechs Kreuzfahrtschiffe anlegen können, ist kein verschlafenes Kleinod zu erwarten – dennoch geht es hier gemächlich zu. Namensgeber war Kolumbus. Er soll die Gewässer „baja mar“ (flaches Wasser) bezeichnet haben. Bis zum 17. Jahrhundert waren die Bahamas Piratenterrain. Conch, die Fechterschnecke, ist das Nationalgericht. Die Bestände sollen angeblich in Ordnung sein. Info: www.bnt.bs/conchservation.
AN- UND RUNDREISE
Zehn Stunden Flug von London nach Nassau. Airlines wie Bahamasair fliegen die anderen Inseln an (rund 75 Dollar). Außerdem gibt es Fähr- und Postbootverkehr.
INSEL-HOPPING & HAITAUCHEN
Die Bahamas sind perfekt für das Inselhüpfen mit Flugzeug oder Boot geeignet. Idealer Standort ist Nassau als Drehkreuz mit Stadtleben und Traumstränden. HAIE sind auf den Bahamas geschützt, der Fang ist gesetzlich verboten. Mehr als 40 Arten leben hier. Die Großen Hammer- und Bullenhaie zeigen ihre Flossen vor Bimini während Tigerhaie zum Tête-à-Tête vor Grand Bahama einladen. Weißspitzen-Hochseehaie sieht man vor Cat Island. Wenn man mit vielen Karibischen Riff- und Ammenhaien tauchen möchte, ist man in Nassau und Eleuthera am besten aufgehoben. Wer mit Schwarzspitzenhaien abtauchen will, steuert Abaco oder die Exumas an. Die extrem raren, bis zu sieben Meter langen Sägerochen, ziehen nur im Juni vor Andros ihre Kreise in den Mangrovengebieten.
TAUCHBASEN
Nassau Stuart Cove´s, www.stuartcove.com
Bimini Neil Watson, www.biminiscubacenter.com Grand Bahama West End Watersports, www.westendwatersports.com Eleuthera Ocean Fox, www.oceanfoxcottonbay.com Cat Island Green Wood, www.greenwoodbeachresort.biz Abaco Dive Abaco, www.diveabaco.com Exumas (Tauchsafaris auch zur Tigerbeach) Aggressor-Flotte, www.aggressor.com Andros Big Fish Expeditions, bigfishexpeditions.com
REISEINFOS
Reisezeit Ganzjahresziel – von August bis Oktober Hurrikan-Gefahr. Klima Luft: 24 bis 32 Grad, Wasser 24 bis 29 Grad Celsius.
Strom 120 Volt. Adapter nötig! Geld Bahamas-Dollar entspricht dem US-Dollar.
Verkehr Auf den Bahamas gilt Linksverkehr.
Veranstalter
www.as-tauchreisen.de, www.aquaactive.de, www.belugareisen.de, www.diveand.travel, www.rcf-tauchreisen.de, www.rogertours.de, www.tauchertraum.com,
www.tourmare.de, www.waterworld.at, www.wedive.ch, www.wirodive.de
WEITERE INFOS
Bahamas Tourist Office
Limburger Straße 3, 61462 Königstein/Frankfurt, Tel 06174/61 90 14, Fax 06174/61 94 42,
E-Mail: info@bahamas.de, www.bahamas.de
Compass-Point in Nassau: Kult-Studio und Cottages in Traumlage. Zum Sundowner gehört der Local-Cocktail. „Bahama Mama“. Bizarrer Kopf mit großem Maul: Großer Hammerhai vor Bimini. Typisch Bahamas: Die Strände muss man nicht mit vielen Gästen teilen. Menschenleere Strände: Blick aus dem Old Bahama Bay Resort.
Tigerbeach: Wenn die Fünf-Meter-Tigerhaidame „Emma“ aufkreuzt, bekommen die meisten Taucher große Augen und weiche Knie. Nassau-Zackenbarsche zeigen wenig Scheu vor Tauchern. Karibische Riffhaie lassen sich am häufigsten sehen. Weißspitzenhochseehaie (Longimanus) kann man vor Cat Island erleben. Weil der Fang von Haien und das Harpunieren auf den Bahamas streng verboten ist, bieten die Inseln gesunde Unterwasser-Landschaften. Das Sandals Royal Bahamin in Nassau liegt am Traumstrand und ist bei Tauchern sehr beliebt.
Ob Haie durch das Ködern konditioniert werden und Menschen mit Futter assoziieren wird zwar vermutet aber relevante wissenschaftliche Studien liegen bisher nicht vor. Es wurden Haie beobachtet, die bereits beim Motorengeräusch der Zodiacs zum Feederspot schwimmen – so wie ein konditionierter Hund beim pawlowschen Szenario auf das Läuten einer Glocke mit Speichelfluss reagiert. Natürlich kann es je nach Art der Feeds zu Futterneid kommen: Je mehr Haie um die Köder buhlen, umso mehr steigt die Gefahr brenzliger Situationen. Der Konkurrenzdruck, verbunden mit der veränderten Hierarchie durch den Feeder, kann Probeme verursachen.
HAIUNFÄLLE WELTWEIT
2018 gab es nach Auskunft des International Shark Attack File (www.floridamuseum.ufl.edu/shark-attacks) weltweit insgesamt 66 Haiangriffe auf Menschen. Davon waren vier tödlich. George Burgess vom Florida Museum betont, dass Menschen nicht auf der Speisekarte von Haien stehen. Ansonsten gäbe es vermutlich Millionen Unfälle im Jahr.
Bei der Mehrzahl der Vorfälle handelt es sich um provozierte Angriffe durch Sportfischer und Harpunenjäger. Unter den nicht provozierten Angriffen verwechseln die Fische Menschen mit ihrer normalen Beute, was häufig auf schlechte Sicht zurückzuführen ist. Mehr als 80 Prozent der Opfer waren Surfer und Schwimmer. Burgess sagt, dass Vorfälle an der Küste häufig von Tiger- oder Bullenhaien verursacht werden. Eine von Dr. Neil Hammerschlag an der Universität von Miami durchgeführte Studie ergab allerdings, dass das Ködern von Tigerhaien deren Verhalten nicht negativ beeinflusst.
Während sich Experten über die Auswirkung von Fütterungen auf das Verhalten und die Migrationsmuster nicht einig sind, bleibt die Frage, ob das Ködern für die Erhaltung der Haie gut ist. Trotz aller Kritik ist professionelles Shark Feeding für Wissenschaftler wichtig und Haischutz, der funktioniert. Einig sind sich alle, dass diese Spezies stark bedroht ist: Jedes Jahr werden 100 000 Haie wegen ihrer Flossen und als Beifang getötet. Ein Skandal!
Michael Krüger
Checkliste Tauchgang mit Haien
1. Vorab
◼ Die Tauchgangsvorbereitung sollte durch eine orts- und haikundige Person durchgeführt werden. Der Tauchgang muss durch geschultes Personal, das zahlenmäßig der Gruppe angepasst ist, begleitet werden. Nationale, lokale Richtlinien und Gesetze müssen vom Veranstalter eingehalten werden.
2. Ausrüstung
◼ Verzichten Sie auf kontrastreiche Kleidung und weiße Flossen. Einige Tauchbasen auf den Bahamas geben komplett schwarze Atemregler und schwarze Handschuhe aus.
3. Tauchgang
◼ Bilden Sie eine homogene und kompakte Gruppe und folgen Sie den Anweisungen des Guides. Achten Sie darauf, nicht in den Strömungsbereich des Köders zu geraten.
4. Verhalten
◼ Halten Sie die Arme eng am Körper. Nicht mit der Action-Cam vor dem Hai herumfuchteln (sieht aus wie der Feeder-Spieß). Vermeiden Sie zappelnde Arm- und Beinbewegungen!
5. Interaktion
◼ Wenn ein Hai beim Tauchgang Körperkontakt sucht, nicht wegschwimmen, sondern eine vertikale Position einnehmen. Umkreist Sie ein neugieriger Hai, verfolgen Sie ihn mit den Augen und drehen Sie sich mit ihm. Nähern Sie sich einem Hai möglichst von der Seite und tauchen Sie nicht direkt über ihm auf!
6. Abbruch/Ausstieg
◼ Bei auffälligem Verhalten einzelner Haie, sehr schlechter Sicht, Angst oder Unwohlsein sollten Sie den Tauchgang abbrechen. Häufig warten Sicherungstaucher unter der Leiter und passen auf, dass die Taucher sicher zurück an Bord kommen.
Shark Feeding: Pro & Contra
Interview
TAUCHEN: Wie steht Sharkproject zum Thema Haifütterungen?
Alex Smolinsky, Sharkproject: Mal so, mal so! Der Grund liegt darin, dass es keine einheitliche Definition für Haifütterungen gibt, sondern viele Varianten, die für verschiedene Haiarten in unterschiedlichem Umfeld durchgeführt werden. Klar ist, dass regelmäßige Fütterungen die Tiere konditionieren. Sie gewöhnen sich an Menschen, verlieren ihre Scheu und kommen näher. Dabei kommt es auch immer wieder zu Vorfällen, auch wenn diese von den Tauchbasen meist verharmlost oder sogar verheimlicht werden: Da werden Taucher gerammt, angestoßen und in Einzelfällen gebissen. Alles Ereignisse, die vom ISAF, dem International Shark Attack File, als Haiattacken gewertet werden. Das ISAF unterscheidet zwischen unprovozierten und provozierten Attacken. Was sind dann Unfälle bei Haifütterungen?
Ist der Mensch selbst schuld, weil er füttert?
Ich denke ja. Der Mensch ist weitgehend verantwortlich für Unfälle. Futter im Wasser verändert das Verhalten der Haie. Hierbei wirkt offenes Futter noch mehr als nur der Geruch beim Ködern. Im Sharkproject-Buch „Blind Dates – Begegnungen mit Haien“ haben wir Futter im Wasser als einen der wichtigsten Unfallfaktoren belegt. Kommen weitere Faktoren hinzu, wie Konditionierung, Konkurrenz, Irritation der Sinne, Persönlichkeit der Tiere und fehlender Respekt der Taucher, klingt das wie die Beschreibung mancher Haifütterungs-Tauchgänge, ist aber aller Erfahrung nach die Ursachenmenge für Haiunfälle. Haie sind Raubtiere, und Fütterungen sind deshalb immer Risikotauchgänge. Das muss allen Teilnehmern bewusst sein.
Warum machen die Taucher es trotzdem?
Zunächst müssen wir festhalten, dass Haifütterungen oder auch Köderaktionen zu den wenigen Möglichkeiten gehören, Haie live aus der Nähe zu erleben. Auch wollen viele Filmer, Fotografen und Journalisten die Tiere erleben, Top-Fotos schießen oder eine gute Story schreiben. Wenn man nicht gerade in Geld badet, um die Hammerhaischulen bei Cocos Island oder die Bullenhaie vor Cabo Pulmo zu erleben, bleiben nur der Zufall – oder eben das Anködern.
Was beurteilen Sie positiv an Shark Feeding?
Nur durch Feeds ist es vielen Tauchern möglich, Haie hautnah zu erleben, was Begeisterung und Faszination auslösen kann. Es wird deutlich schwerer, das Märchen vom Killerhai zu erzählen. Und trotz aller Risikofaktoren passiert ja tatsächlich insgesamt wirklich wenig beim Shark Feeding. Haifütterungen sind damit deutlich ungefährlicher als das Löwenfüttern oder Leopardenstreicheln. Hauptgrund dafür: Wir Menschen gehören immer noch nicht in das Beuteraster der Haie. Aber wir sind im Beuteschema wilder Großkatzen.
Ihr Fazit?
Sharkproject kann keine Garantie geben, dass es zu keinem Unfall kommt. Insofern sehen wir sowohl das Ködern als auch das Füttern von Haien kritisch. Sharkproject empfiehlt, solche Tauchgänge nicht zu machen. Völlig ausgeschlossen sind Haifütterungen mit offenem Futter, da hierbei das Risiko für die Taucher signifikant ansteigt und unbeherrschbar ist. Beim Ködern von Haien ohne unkontrollierbares Futter im Wasser ist das Unfallrisiko deutlich geringer. Aber auch hier ist Aufmerksamkeit, Tauchausbildung und Top-Briefings bei einem seriösen Anbieter Grundvoraussetzung. Da uns die Aufklärung zentral wichtig ist, nehmen wir verantwortungsvolles Ködern von Haien in Kauf, um möglichst viele Taucher zu überzeugen, sich für Haie einzusetzen.
www.sharkproject.org
Sechs Verhaltensregeln von Sharkschool,
wenn Haie aufdringlich werden
1. FACE
Stoppen Sie die aktive (Vorwärts-)Bewegung und drehen Sie sich in vertikaler Position und mit ruhigen, hängenden Füssen zum Hai hin. Halten Sie Blickkontakt. Nutzen Sie allein die Arme, um sich zum Hai hin auszurichten. Sind mehrere Haie da, richten Sie sich zu dem Tier, das Ihnen am nächsten ist.
2. GUIDE
Sollte Ihnen der Hai so nahe kommen, dass Sie ihn mit ausgestrecktem Arm (ohne dass Sie sich vornüber beugen müssen) erreichen, berühren Sie das Tier sanft an der Schnauze und lenken Sie es vorbei. Sie können den Hai auch am Kopf berühren oder an seiner Kopfseite (mit gutem Abstand zu seinen Augen!). Achten Sie auf ruhige, langsame Bewegungen!
3. PUSH
Kommt ein Hai direkt von vorne und ist auf „Kollisionskurs”, drücken Sie ihn an sich vorbei.
4. MOVE
Sollte der Hai weiterhin an Ihnen interessiert sein und wollen Sie die Begegnung beenden, dann schwimmen Sie frontal auf ihn zu!
5. GILLS
Nützt alles nichts und bleibt der Hai auf Körperkontakt, berühren Sie seine Kiemen, oder drücken Sie Wasser dagegen. Wann Haie einander angreifen, bevorzugen sie die Kiemenregion. Der Hai weiß zwar immer noch nicht, was ein Mensch ist, wenn man aber die Kiemen berührt, versteht er das Signal.
6. FACE – GUIDE – PUSH – MOVE – (GILLS)
Ziehen Sie sich kontrolliert zurück und verlassen Sie das Wasser. Prägen Sie sich die einzelnen Schritte und deren Chronologie gut ein. Nutzen Sie dieses Wissen auch in dem Fall, dass Sie zum Beispiel ein Unfallopfer bergen müssen: Bitte beachten Sie: Diese Empfehlungen basieren auf jahrelangen wissenschaftlichen Untersuchungen und Feldversuchen. Sie sind die Basis unserer Interaktionsarbeit mit Haien und auf alle Haiarten übertragbar. Das Thema ist erheblich komplexer, und viele Faktoren beeinflussen die Reaktion der Tiere. Eine Garantie zur Unfallprävention können wir Ihnen nicht aussprechen.
Dr. Erich Ritter, Sharkschool
SHARKSCHOOL
Interaktionskonzept mit Haien: Adore Sane
Adore
◼ A Attitude/Verhalten Ist etwas ungewöhnlich?
Wie verhält sich der Hai?
◼ D Direction/Richtung Welches Schwimmmuster hat der Hai?
◼ O Origin/Anfang Wo sehe ich den Hai zum ersten Mal?
◼ R Reference/Referenz Wo schwimmt das Tier?
◼ E Environment/Umgebung Welche Umweltfaktoren beein-
flussen die Begegnung?
Sane
◼ S Scenario/Szenario Was passiert um mich herum während der Begegnung?
◼ A Action/Action Was für eine Aktivität brauche ich bei der Interaktion?
◼ N Nervousness/Nervosität Wie entspannt oder nervös bin ich während der Begegnung?
◼ E Experience/Erfahrung Welche Erfahrung habe ich mit Haien und dieser Aktivität?
SharkSchool
ELEUTHERA
Dr. Erich Ritter ist einer der führenden Forscher, der sich mit Themen der Hai-Mensch-Interaktion befasst: „Es gibt keine gefährlichen Haie. Es gibt nur gefährliche Situationen.“ Der Meeresbiologe und Haischützer ist Leiter der Sharkschool auf Eleuthera/Bahamas und bietet Haitauchgänge mit wissenschaftlichem Background an. www.sharkschool.com
www.wirodive.de
Info: Shark Feeding
Sharkfeed: Alle Taucher sitzen im Halbkreis. Der Shark Feeder füttert aus der Hand oder mit dem Spieß. Erich Ritter: „Die Methode ist ungeeignet, da die Haie in schematische Abläufe gezwungen werden und die Taucher nicht interagieren können.“
Chumsicle: Ein Klumpen Fischabfall wird an einem Seil oder Eisengerüst gefroren platziert und löst sich im Wasser von selbst auf. Erich Ritter: „Die beste Methode, um Haie zu beobachten. Die Haie kommunizieren und können eine Hierarchie kreieren.“
Baitbox: Eine Köderbox wird deponiert und die Taucher können mit den Haien schwimmen. Die Gäste werden mit Abstand platziert und ein Guide öffnet die Box. Erich Ritter: „Besser als Shark Feeding, da die Taucher mit den Haien schwimmen können.“
Baitbox/Wrack: Eine Köderbox wird im Wrack platziert. Nur um die Fische neugierig zu machen. Eine Fütterung findet nicht statt. Erich Ritter: „Da unter den Haien Druck oder Frustration entstehen kann, nicht ganz unproblematisch!“
Open water feeding: Die Nahrung wird im offenen Wasser verteilt. Erich Ritter: „Diese Methode ist für kommerzielle Zwecke unbrauchbar. Dabei können die Haie frei zwischen den Tauchern nach Nahrung suchen. Das verlangt Erfahrung!“
Cage Dive Feeding: Käfigtauchen wird üblicherweise mit Großen Weißen, Tiger- oder Bullenhaien praktiziert. Erich Ritter: „Für Nichttaucher die einzige Möglichkeit, Haie zu sehen. Sicher, aber wenig hilfreich, um Ängste gegenüber Haien abzubauen.“
Haie hautnah: Viele Taucher stehen dem an vielen Orten auf der Welt verbreiteten Zirkus kritisch gegenüber. Atemberaubende Aufnahmen sind aber garantiert.
Der „Neptunic“-Sharksuit schützt auch bei Bissen, wenn der Hai versehentlich das Ziel verfehlt.
TAUCHEN-Redakteur Michael Krüger (links) und Nacho am Steg der Stuart-Cove-Tauchbasis in Nassau auf den Bahamas.
Haisuppe: Die UW-Arena ist ein beliebter Spot für das Shark Feeding bei Stuart Cove in Nassau/Bahamas.
Der Shark Feeder wird von Haien umschwärmt, während die Taucher am Grund hocken.
INFOS BAHAMAS
Fantastische Strände und viele Haie. Von den rund 700 Inseln sind nur 29 bewohnt. 250 000 der 350 000 Bewohner der Bahamas leben in Nassau. Weil bis zu sechs Kreuzfahrtschiffe anlegen können, ist kein verschlafenes Kleinod zu erwarten – dennoch geht es hier gemächlich zu. Namensgeber war Kolumbus. Er soll die Gewässer „baja mar“ (flaches Wasser) bezeichnet haben. Bis zum 17. Jahrhundert waren die Bahamas Piratenterrain. Conch, die Fechterschnecke, ist das Nationalgericht. Die Bestände sollen angeblich in Ordnung sein. Info: www.bnt.bs/conchservation.
AN- UND RUNDREISE
Zehn Stunden Flug von London nach Nassau. Airlines wie Bahamasair fliegen die anderen Inseln an (rund 75 Dollar). Außerdem gibt es Fähr- und Postbootverkehr.
INSEL-HOPPING & HAITAUCHEN
Die Bahamas sind perfekt für das Inselhüpfen mit Flugzeug oder Boot geeignet. Idealer Standort ist Nassau als Drehkreuz mit Stadtleben und Traumstränden. HAIE sind auf den Bahamas geschützt, der Fang ist gesetzlich verboten. Mehr als 40 Arten leben hier. Die Großen Hammer- und Bullenhaie zeigen ihre Flossen vor Bimini während Tigerhaie zum Tête-à-Tête vor Grand Bahama einladen. Weißspitzen-Hochseehaie sieht man vor Cat Island. Wenn man mit vielen Karibischen Riff- und Ammenhaien tauchen möchte, ist man in Nassau und Eleuthera am besten aufgehoben. Wer mit Schwarzspitzenhaien abtauchen will, steuert Abaco oder die Exumas an. Die extrem raren, bis zu sieben Meter langen Sägerochen, ziehen nur im Juni vor Andros ihre Kreise in den Mangrovengebieten.
TAUCHBASEN
Nassau Stuart Cove´s, www.stuartcove.com
Bimini Neil Watson, www.biminiscubacenter.com Grand Bahama West End Watersports, www.westendwatersports.com Eleuthera Ocean Fox, www.oceanfoxcottonbay.com Cat Island Green Wood, www.greenwoodbeachresort.biz Abaco Dive Abaco, www.diveabaco.com Exumas (Tauchsafaris auch zur Tigerbeach) Aggressor-Flotte, www.aggressor.com Andros Big Fish Expeditions, bigfishexpeditions.com
REISEINFOS
Reisezeit Ganzjahresziel – von August bis Oktober Hurrikan-Gefahr. Klima Luft: 24 bis 32 Grad, Wasser 24 bis 29 Grad Celsius.
Strom 120 Volt. Adapter nötig! Geld Bahamas-Dollar entspricht dem US-Dollar.
Verkehr Auf den Bahamas gilt Linksverkehr.
Veranstalter
www.as-tauchreisen.de, www.aquaactive.de, www.belugareisen.de, www.diveand.travel, www.rcf-tauchreisen.de, www.rogertours.de, www.tauchertraum.com,
www.tourmare.de, www.waterworld.at, www.wedive.ch, www.wirodive.de
WEITERE INFOS
Bahamas Tourist Office
Limburger Straße 3, 61462 Königstein/Frankfurt, Tel 06174/61 90 14, Fax 06174/61 94 42,
E-Mail: info@bahamas.de, www.bahamas.de
Compass-Point in Nassau: Kult-Studio und Cottages in Traumlage. Zum Sundowner gehört der Local-Cocktail. „Bahama Mama“. Bizarrer Kopf mit großem Maul: Großer Hammerhai vor Bimini. Typisch Bahamas: Die Strände muss man nicht mit vielen Gästen teilen. Menschenleere Strände: Blick aus dem Old Bahama Bay Resort.
Tigerbeach: Wenn die Fünf-Meter-Tigerhaidame „Emma“ aufkreuzt, bekommen die meisten Taucher große Augen und weiche Knie. Nassau-Zackenbarsche zeigen wenig Scheu vor Tauchern. Karibische Riffhaie lassen sich am häufigsten sehen. Weißspitzenhochseehaie (Longimanus) kann man vor Cat Island erleben. Weil der Fang von Haien und das Harpunieren auf den Bahamas streng verboten ist, bieten die Inseln gesunde Unterwasser-Landschaften. Das Sandals Royal Bahamin in Nassau liegt am Traumstrand und ist bei Tauchern sehr beliebt.