Mal ehrlich: Würden Sie sich zum Joggen Trainingsanzug, Sportschuhe und Socken ausleihen? Mit dem Wissen, dass die Wäsche nur fahrig von vorherigen Benutzern in eine Wassertonne getaucht wurde, um tropfnass aufgehängt zu werden? Einige Taucher scheint das wenig zu stören. Nicht immer ist Leih-Equipment top in Schuss: Wer Pech hat, bekommt Atemregler mit Aschenbechergeschmack, Muffel-Neopren und scheuernde Schnorchel-Flossen.
VON MICHAEL KRÜGER
Nie wieder im Muffel-Anzug ins Wasser: Nach meiner ersten Tauchreise, bei der mir ein schlecht sitzender, abgerissener und übel riechender Leihanzug zugewiesen wurde, stellte ich mir die Frage, wieviele wimmelnde Wesen wohl im Neopren ihre Wunsch-Behausung gefunden haben. Wahrscheinlich wäre es für Entdeckernaturen ein Erlebnis, im feuchtem Material mit einem Mikroskop nach Bakterien, Pilzen, Schuppen, Mikroben und Sekreten jeglicher Couleur zu suchen. Ich weiß zwar nach einem Gespräch mit TAUCHEN-Medizinexperte Professor Muth das man in Punkto Infektion wenig zu befürchten hat (für Detail-Infos bitte unseren „Doc“ anmailen). Es folgte der Kauf eines 3-, 5- und 7-mm-Anzugs sowie einer Eisweste.
Braucht man einen eigenen Atemregler? Auf jeden Fall! Mein Kaufgrund war mein Kette rauchender Instruktor. Er ging stets mit brennender Zigarette ins Wasser, um vor dem Abtauchen noch einen Zug inhalieren zu können. Bei einer Wechselatmungs-Übung mit ihm hatte ich nach dem Tauchgang Tabakgeschmack im Mund – noch Fragen? Mit eigenem Regler fühlt man sich einfach sicherer. Wer weiß schon bei Leihausrüstung, wie gut der Regler gepflegt und gewartet wurde?
Mein dritter Irrtum: „Jacket? Brauche ich nicht.“ Bei einer Mittelmeer-Tauchreise, bei der ich einen gefühlten Halb-Marathon mit einem ungepolstertem Billig-Jacket bis zum Einstieg laufen musste, änderte sich meine Meinung rapide. Aber erst nach einer Tauchreise ans Rote Meer, bei der die Leihgebühren nach zwei Wochen so hoch wie der Preis eines gebrauchten Jackets waren, handelte ich und legte mir eine Luxus-Tarierhilfe zu: schwarz, gepolstert, bleiintegriert, top verarbeitet – kein Leichtgewicht, aber großartig! Leider machen die Airlines mit immer strikteren Gepäcklimits einen Strich durch meine Equipment-Rechnung, sodass ich zwischen Übergepäckgebühren oder Reduktion wählen musste.
Jacket und Regler ließ ich bei der nächsten Fernreise zu Hause und sollte es mit meinem vierten Fehler bitter bereuen: Mein erster Tauchgang mit einem alten Leihregler war wie eine Bestrafung. Ich sehnte mich nach meinem Kaltwasserregler mit geringem Atemwiderstand und Venturihebel. Als sich der Flaschendruck zur 50-bar-Marke bewegte, lernte ich, wie sich ein alter, unkompensierter Atemregler anfühlen kann: Man muss die Luft aus der Flasche saugen, als würde man zu kalte Milkshake-Masse mit einem winzigen Stohhalm aus einem Becher ziehen.
Wie viel und welche Ausrüstung sollte bei 20 oder 23 Kilo Gepäcklimit in den Koffer? Ich glaube ABC (Maske, Schnorchel, Flossen) wird jeder Taucher dabeihaben, denn eine schlecht sitzende Maske kann den Tauchurlaub vermiesen. Wer Geräteflossen mit Boots präferiert, sollte wissen dass es in den meisten Tauchbasen nur Schnorchelflossen gibt. Scheuernde Stellen an der Ferse mahnten mich bei jedem Flossenschlag, beim nächsten Mal zumindest Neoprensocken oder besser Geräteflossen einzupacken. Damit wird meiner Meinung nach nicht nur das Tauchen komfortabler, sondern mit Boots sind Einstiege besser und sicherer (ich denke an Seeigel und Skorpionfische).
Ein Kaufbefehl für Warmwasser-Fans sind leichte Atemregler und bleiintegrierte Reise-Jackets! Apropos: Ich habe schon Taucher gesehen, die ihr eigenes Blei mit in den Flieger genommen haben. Bei einer Tropen-Reise mit 40-Meter-Tiefenlimit hat ein Taucher sein Tech-Jacket mit Doppel-10-Flaschen und Trocki mitgeschleppt. Die Tauchguides, die diese Stahlkoloss ins Dhoni hiefen mussten, haben mir jedes Mal Leid getan. Er nicht! Weniger ist in solchen Fällen mehr. Bei der Ausrüstung allerdings nicht immer!
Wer sich eigenes Equipment kauft, bleibt meist beim Tauchen. Bei Fernreisen greifen dennoch viele zur Leihausrüstung. Dass die nicht immer im Top-Zustand ist, hat TAUCHEN-Redakteur Michael Krüger erlebt.
FOTO/GRAFIK: M. Krüger, FOTOLIA/ H. green, Graphithèque