Als ich den Artikel „Simplify your Dive“ von Nik Linder gelesen habe, musste ich feststellen, dass Apnoe-Taucher und Yogis nicht die wahre Seele der Gerätetaucher kennen: Luft anhalten kann ja jeder. Was wäre eine Tauchreise ohne prallgefüllte Handgepäck-Trolleys und 40-Kilogramm-Koffer mit UW-Tools und Gadgets?
VON MICHAEL KRÜGER
Ich erinnere mich an eine Szene bei einer Tauchsafari in Ägypten. Neben mir steht ein Taucher, der aussieht als wäre er für eine NASA-Mission unterwegs. An jedem D-Ring baumen unzählige Instrumente und Tools. Sein Buddy fragt ihn: „Wozu brauchst Du das ganze Zeug?“ „Wegen der Redundanz!“, antwortete er. Falls Sie diesen Begriff nicht kennen: Redundanz heißt übersetzt Überfluss. Beim technischen Tauchen spielen zusätzlichen Reserven eine zentrale Rolleals Back-up-System.
Muss man beim Relax-Tauchgang in 15 Meter Tiefe zwei Kameras, Lampen, iPhone-Case, Reels und Boards mitschleppen? Als ich ihn mustere zeigt er mir sein Multilayer-Writing-Board. Damit könne man sogar fertige Fragen ausklappen: „Go to surface?“, „How much air?“. „Why?“ dachte ich mir. Wahrscheinlich guckt er sich beim Taucnen Spielfilme auf seinem iPhone an, falls ihn die UW-Welt langweilt. Darum hat mich der „Simplifiy your Dive“-Artikel begeistert. Es geht darum, den Moment zu erleben. Die Ruhe und das Gefühl der Schwerelosigkeit unter Wasser bewusst zu genießen.
Allerdings bin ich bei einem Zitat auf Seite 106 in Grübeln gekommen: Ein UW-Fotograf flutet seine Kamera und seine Frau sagt lachend: „Mach doch mal ein Bild mit Deinem Herzen“. Gut. Ich hocke auch nicht den ganzen Tag auf dem Kopf und inhaliere Moschus-Räucherstäbchen. Ich weiß noch nicht einmal, ob ich der Vata-, Pitta- oder Kapha-Typ bin und habe niemals Hatha-Yoga praktiziert. Dann hätte mein Körper die Möglichkeit, mit mir zu „sprechen“. Vielleicht würde er sagen: „Hey Chavakhiah, bleib mal locker! 5000 Euro versenkt. Na und? Sechs Mantras, drei Jogi-Tees auf Ex und alles ist gut.“ Chavakhiah ist einer der 72 Yoga-Kabbala-Engel und gilt als Abgesandter der Versöhnung. Dazu noch Kaffee- und Alkohol-Entzug, vegane Ernährung, Sitar-Klänge von Ravi Shankar. Wahrscheinlich würde ich im Kopfstand vor dem Kamerasschrott hocken und lächeln.
Aber zurück zum „Gear-Wahn“: Die Equipment-Verliebtheit einiger Taucher kennt anscheinend keine Grenzen: ich erinnere mich an einen Tech-Diver am Hausriff. Wir tauchten einige Meter über ihm und machten Signale, weil ein riesiger Zackenbarsch neben ihm schwamm. Er starrte nur stoisch auf seine beiden Tauchcomputer und Instrumente und merkte nichts davon. Unter Wasser vermissen eben viele ihr geliebtes Smartphone-Display.
Permantene Reizüberflutung und das Sammeln unnötiger Gadgets ist allerdings kein tauchtypisches Thema: Wozu braucht man einen Amazon „Echo“-Assistenten mit Sprachsteuerung? Um ein 16-teiliges Küchenhelferset mit Spaghetti-Zange, Eierköpfer und Toast-Defibrillator zu kaufen? Muss man einen Smoothie-Maker besitzen? Er wird sowieso neben Popcorn-Maschine, Brotbackautomat, Joghurt-Bereiter und Apfelschäler im Schrank eingekerkert. Kann man es überhaupt wagen, ohne Fitness-Armband zu joggen? Ich weiß, wie sich hoher Blutdruck anfühlt. Ich brauche keinen Aktivitäts- und GPS-Tracker für Facebook-Posts.
Wie oft habe ich mich bei Live-Konzerten über die Dauerfilmer geärgert, die mir mit ihren Smartphone-Displays die Bühnensicht versperren, um Wackelfilmchen mit Knarzsound zu produzieren. Hautnah mit Hammerhaien tauchen und diesen Thrill nur durch den Kamerasucher verfolgen? Warum muss man immer alles dokumentieren? Für alle, die Schreibtafeln oder Multilayer-Writing-Boards besitzen, und unter Wasser noch niemals wußten, was sie ihrem Tauchpartner schriftlich mitzuteilen haben. Wie wäre es damit: Sinnlose UW-Tools und Gadgets bei Ebay verkaufen!
Tauchreisen ohne Monster-Koffer und Sperrgepäck? Ja! TAUCHEN-Redakteur Michael Krüger kann auf Gadgets verzichten. Die UW-Welt ist spannend genug.